Mittlerweile weiss es jeder Konsument. Auch derjenige, der noch so wenig Geld für Nahrungsmittel ausgibt: Beim Olivenöl gibt es gewisse Probleme mit der Qualität! Auf der Strasse angesprochen, sagen neun von zehn Passanten, dass Ihnen zum Begriff «Lebensmittelfälschung» spontan Olivenöl in den Sinn komme. Auch wenn auf den Plätzen Wein, Käse und Fleisch genannt werden, ist es fahrlässig, die Schuld an den getürkten Produkten den Italienern in die Schuhe zu schieben. Denn, irgendjemand verlangt ja beispielsweise nach den supergünstigen Olivenölen, deren Etiketten aber mit der Qualitätsbezeichnung «Extra Vergine» versehen sein sollen. Konsument und Handel sind die Brandstifter dieses seit Jahren lodernden Betrugfeuers. Und die Medien tun ihr Übriges. Eine aus diesem Bunde heisst Stiftung Warentest.
Guter Rat ist teuer. Gutes Olivenöl auch.
Man braucht sich die Februar-Ausgabe des deutschen Testmagazins nicht zu kaufen. Von «ARD» bis «Die Welt» berichtete kaum ein Fernsehsender, eine Zeitung, ein Radio oder ein Magazin nicht über die Resultate des jüngsten Olivenöltests der Stiftung Warentest. Vor dieser Schlagzeile gibt es kein Entkommen. Wieder einmal wird beim Olivenöl gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen. Man nimmt diese Information (weil von Neuigkeit zu reden, absurd wäre) zur Kenntnis. Es ist die gefühlt fünfhundertste dieser Art und wir wissen mittlerweile, dass solche als Schockmeldung geplante Schlagzeilen längst keine nachhaltigen Wirkungen mehr erzielen. Heute akut, morgen vergessen. Der Stiftung Warentest dürfte es kaum ums Olivenöl selber gehen, derart altruistisch veranlagt ist wohl kein Heftmacher, der vor allem von der Anzahl der verkauften Heftexemplare lebt. Es geht dem Magazin also bloss um Auflage. Die Chefredakteurin des «test», Anita Stocker schreibt im Editorial ihrer Februar-Ausgabe sinngemäss: «Olivenöl. Der Test sorgte dafür, dass Sie im Februar so viele «test-Hefte» kauften wie seit Jahren nicht mehr. Nach wenigen Tagen war die Ausgabe weitgehend vergriffen. Wir haben nachgedruckt - und nachgelegt [...]»
Ich meine, kann man einen sinnloseren Test aufbereiten, als «Extra Vergine» Olivenöle vom Discounter auf Qualität zu prüfen? Vermutlich nicht. Es ist fast so, als würde man testen wollen, ob sich Reinigungstabs für die Geschirrspülmaschine auch als Handspülmittel eignen. Da kann eigentlich nichts Gutes bei rauskommen. Nicht so bei Stiftung Warentest. So attestiert der «test» dem Olivenöl Primadonna von Lidl für € 5.05 pro Liter ein «befriedigend». Exakt jenem Produkt also, für welches Lidl in Italien wegen Konsumententäuschung vor etwas mehr als einem halben Jahr ordentlich zur Kasse gebeten wurde.
«Natives Olivenöl extra
muss nicht teuer sein [...].»
- Stiftung Warentest
Der «test» schreibt dazu: «Unser Rat: Natives Olivenöl extra muss nicht teuer sein. Doch sensorische Spitzenklasse dürfen Verbraucher für kleines Geld nicht erwarten. [...]» Zähne zusammenbeissen und Ruhe bewahren, sage ich mir angesichts dieser völlig stupiden Aussage. Sie ist nämlich zweifach falsch und zeugt von der Laienhaftigkeit des Magazins in dieser Sache. Ob jemand etwas als teuer oder als nicht teuer empfindet, ist völlig individuell, wird von Mensch zu Mensch und je nach finanziellen Möglichkeiten unterschiedlich beurteilt. Fakt ist jedoch, dass im Detailhandel angebotene Olivenöle, die weniger als 9 Euro pro Liter kosten, nicht «nativ extra» sein können. Es sei denn, der Händler legt drauf und nutzt das Angebot im Cross-Selling. Trotzdem vermittelt der «test» seinen Lesern den Eindruck, dass diese ohne Bedenken zu den Billigölen greifen können - diese schnitten im Test ja ordentlich ab. Fakt ist aber auch, dass Konsumenten bei einem Olivenöl jeweils dann eine sensorische einwandfreie Qualität erwarten können, sobald «Extra Vergine» auf dem Etikett aufgedruckt ist. Das ist übrigens gesetzlich so geregelt, liebe Stiftung Warentest.
Die Besten kommen von Discountern
«Für durchschnittliches Olivenöl nativ extra muss niemand viel Geld ausgeben» schreibt der «test». Diese Aussage muss sich für ehrliche Olivenölerzeuger anfühlen, als würde man Ihnen mit dem Vorschlaghammer das Gesicht zertrümmern. Warum nehmen sie finanzielles Risiko auf sich, kaufen die beste Mühle, ernten grüne Oliven, die nicht viel Ertrag geben, filtern das extrahierte Öl, wobei nochmals fünf Prozent des flüssigen Goldes verloren gehen, und lagern es schliesslich unterirdisch in Edelstahltanks unter Edelgas? Damit Stiftung Warentest in allem Ernst behaupten kann, dass es günstigere Ware beim Discounter gibt und man die guten, teureren Öle links liegen lassen soll?
Von 24 sensorisch getesteten
Olivenölen aus dem Discounter schneiden im «test»
14! als Extra Vergine ab.
Da stellt man logischerweise
das Können der Verkoster
in Frage.
Die Macher des «test» scheinen nicht alle Tassen im Schrank zu haben und wenn doch, dann sind sie wohl komplett falsch sortiert. Bertolli Originale schneidet in ihrem sensorischen Test «gut» ab, was bei mir Kopfschütteln mit anschliessenden Kopfschmerzen auslöst. Überhaupt verstehe ich nicht, warum Stiftung Warentest eine eigene Bewertungsskala für die Sensorik verwendet. Weil es bei Stiftung Warentest befriedigende Extra Vergine Olivenöle gibt, müsste es folglich auch unbefriedigende geben. Lächerlich und absurd. Entweder sind die verkosteten Öle Extra Vergine und damit gut oder sie sind eben nicht Extra Vergine und somit ungenügend. Folglich dürften sie nicht Extra Vergine genannt werden. Der «test» verwendet andere, völlig an den Haaren herbeigezogene Massstäbe und offenbart dabei seine Untauglichkeit bei Olivenölprüfungen. Wieder einmal mehr.
Wo bitte sehr liegt der Unterschied zwischen «befriedigend» und «ausreichend» bei der sensorischen Beurteilung der Olivenöle und wer bitte zeichnet für die Verkostung dieses Tests verantwortlich, liebe Frau Anita Stocker, Chefredakteurin des «test»?
Bertolli Gentile: Mittelfruchtig; Ausgewogen; schwache Noten nach Mandeln, Nusshaut
Was sich anhört wie die Tasting-Note eines Einsteiger-Extra Vergine, ist in Tat und Wahrheit die Verkostungsnotiz der «test»-Verkoster von Bertolli Gentile, jenem Öl, für welches der Grossabfüller vor etwas mehr als einem halben Jahr wegen Falschetikettierung zu einer Busse von € 300'000 verdonnert wurde. Sprich, das damals getestete Olivenöl war qualitativ ungenügend und hätte nicht «Extra Vergine» genannt werden dürfen. Stiftung Warentest sieht das anders, für sie ist das Bertolli Gentile gut weil «Extra Vergine». Aber auch die Verkostungsnotizen von De Cecco, Primadonna Bio, Monini Classico, Bertolli Robusto, Bertolli Originale, Cantinelle, Primadonna und Co. lesen sich in etwa gleich. Sensorisch hätten diese Öle laut den Testern das Prädikat «Extra Vergine» verdient. Ich frage mich, welches Olivenölpanel für diese - zugegeben absurden - Verkostungsresultate verantwortlich zeichnet? Erinnert mich irgendwie an unser - frei von Interessenkonflikten agierendes - Schweizer Olivenöl Panel. Ich tippe auf das Deutsche Olivenöl Panel, welches enge Beziehungen zum Schweizer Pendant unterhält und in früheren öffentlich gemachten Tests schon durch Unfähigkeit geglänzt hatte.
«Je schlechter der Verkoster,
desto besser das Öl.»
- Andreas März, Merum
Der feine Unterschied
Für allfällige nächste Tests rate ich dem «test» auf ein fachlich fähiges und vor allen Dingen unabhängiges Verkostungsgremium zu setzen. Und ich empfehle einige Stunde Nachhilfeunterricht in Olivenölkunde. Denn wer behauptet, ausdrucksstarke Olivenöle würden immer intensiv riechen und schmecken sowie bitter und scharf sein, liegt damit komplett falsch. Es gibt sehr wohl tolle leichtfruchtige oder mittelfruchtige Olivenöle. Und wer schon mal ein Öl aus Biancolilla- oder Arbequina-Oliven verkostet hat, weiss, Bitterkeit ist hier in der Regel keine vorhanden. Ebenso ist es kläglich falsch, zu schreiben, dass gute Olivenöle nach Gras, Artischocken und Tomaten riechen. Das muss nämlich nicht sein. Die Ausprägungen können ganz unterschiedlich sein. Nur der Duft von schwarzen Johannisbeeren - für welchen der «test» quasi Bestnoten vergibt -, ist zusammen mit einem leicht fettenden Eindruck am Gaumen deutliches Zeichen von Fruchtfermentation. Diese Kombination finde ich beispielsweise bei Lidls Primadonna aber auch bei Bertolli und Co. Ein feiner aber wichtiger Unterschied von guten zu schlechten Verkostern. Sie wissen, wann ein Duft von Fermentation herrührt und wann er bloss eine Ausprägung der reifen Frucht ist. Aber wie sagt Andreas März so schön: «Je schlechter der Verkoster, desto besser das Öl.» Von 24 sensorisch getesteten Ölen beurteilt der «test» 14! als Extra Vergine. Also, bitte nachsitzen und in der Zwischenzeit nie wieder über Olivenöl schreiben.
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Massimo Carelli (Samstag, 11 Februar 2017 22:14)
Punkt. Satz. Sieg.