Etwas mehr als einen Monat ist es her, seit das Schweizer Olivenöl Panel für die Kassensturz-Sendung des SRF vom 3. Mai 2016 beispielsweise dem Olivenöl der Marke Filippo Berio das Qualitätsprädikat "extra vergine" aberkannte. Die Panelleiterin des Schweizer Olivenöl Panels (notabene ein staatlich akkreditiertes Prüfgremium für Olivenöle), Annette Bongartz, sagt über die im Sensoriktest durchgefallenen Olivenöle klar und deutlich: "Sie dürften nicht verkauft werden. [...] und sie müssten aus dem Handel verschwinden, ganz klar."
Umso mehr erstaunt es, dass nur wenige Tage nach Ausstrahlung der Sendung im gleichen Fernsehsender vom Inverkehrbringer Coop massiv für das fehlbare "extra vergine" Filippo Berio geworben wird. Zwei Fragen drängen sich - nicht nur mir - unweigerlich auf:
- Obwohl die Bewegtbild-Werbung "Filippo Berio" dem redaktionellen Inhalt des Kassensturz-Beitrages deutlich widerspricht, lässt SRF diese Werbung zu. Warum ist das möglich, verarscht man damit nicht sämtliche Zuschauerinnen und Zuschauer?
- Obwohl das Schweizer Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände 817.0 unter Artikel Nr. 23 folgendes festhält
"1 Wer Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände herstellt, behandelt, abgibt, einführt oder ausführt, muss im Rahmen
seiner Tätigkeit dafür sorgen, dass die Waren den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. [...]
2 Die amtliche Kontrolle entbindet ihn nicht von der Pflicht zur Selbstkontrolle.",
schaltet der Inverkehrbringer Coop für das im Kassensturz-Test durchgefallene "extra vergine" eine beispiellose Werbekampagne und gibt das entsprechende Produkt mit Rabatt weiterhin an Konsumentinnen und Konsumenten ab. Kann es sein, dass die gesetzlich verlangte Selbstkontrolle nicht wirklich ernst genommen wird - weder von den Inverkehrbringern noch von den zuständigen Behörden?
Was zum Teufel muss passieren, dass Produkte, welche nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, aus den Regalen genommen werden? Fügt man womöglich ins Feld, dass die Panelbeurteilung durch das Schweizer Olivenöl Panel zwecks einer Konsumentensendung durchgeführt worden sei und somit rechtlich keine Relevanz habe? Na und, einen begründeten Verdacht stellt das Urteil dennoch dar. Wer kann mir diese Fragen abschliessend beantworten? Ich werde die zuständigen Kantonschemiker fragen.
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oliver (Donnerstag, 09 Juni 2016 20:24)
Hi, das sind die richtigen Fragen - warum geht da niemand nach - vielleicht solltest Du mal konkret beim zuständigen Gesundheitsamt (wenn es sowas bei Euch gibt) nachfragen. Am Besten direkt den Hinweis auf die Sendung geben. Normalerweise muss die Behörde dann aktiv werden, da Sie konkret angesprochen wurde. Mach so weiter!
J. Albisser (Freitag, 10 Juni 2016 06:05)
Dieses Bespiel zeigt, dass bei den wirklich entscheidenden Fragen sich niemand in der Verantwortung sieht. Kleine Metzgereien im Bündnerland kann man wegen wiederholter Fleischfalschdeklaration behördlich schliessen lassen, einem Schweizer Supermarkt will man aber nicht auf die Füsse treten. Und damit ist ja nicht nur der Coop gemeint. Auch Fernsehsender können es sich nicht leisten, auf Werbegelder von solch finanziell potenten Werbern entgehen zu lassen. Die Situation ist festgefahren. Umso mehr bewundere ich Ihr Engagement in dieser Sache.
Lorenz Spring (Freitag, 10 Juni 2016 16:39)
Lieber Master
Wie Sie sich vielleicht erinnern, war ich vor geraumer Zeit Gast an einem Ihrer Olivenöl-Verkostungsseminare, was mich nicht zu einem besseren Menschen gemacht hat, aber immerhin bin ich nicht mehr so unbedarft im Umgang mit einem meiner Lieblings-Nahrungsmittel, dem Olivenöl. Ja, Sie lesen richtig: Ich habe bei Ihnen gelernt, dass Olivenöl weit mehr ist als ein Schmiermittel für mittelmässige Salatsaucen. Richtig angewendet ist Olivenöl in der Tat ein Lebensmittel. Und erst noch ein äusserst gesundes, das mich auf meiner ganz persönlichen «Wellness»-Tour täglich begleitet. Mein Gesundheitszustand dankt es mir.
Ich verstehe nun nicht ganz, warum Sie im Kampf gegen ein Sendegefäss unseres Zwangsgebührensenders Ihre wertvolle Zeit verschwenden. Ein Kleinkrieg gegen den «Kassensturz» ist ein Kampf gegen Windmühlen. Der ehemalige Konzernsprecher der MIGROS, Urs Peter Näf, bezeichnete die Konsumentensendung von SRF mir gegenüber einmal als «zahnlosen Papiertiger». Die Zeiten, in denen der Kassensturz die Ravioli-Regale der Migros mit einer einzigen Sendung über Monate leerfegte, sind schon lange vorbei. Tempi passati, wie wir Lateiner zu sagen pflegen. Das immer noch konkurrenzlose Sendeformat hat seinen Zenit längst überschritten. Die Quoten versinken gegenüber den früheren Bestwerten ins Bodenlose, wenn man bedenkt, wie stark die Schweizer Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat. Ganz zu schweigen von der Handydichte, die es beinahe allen in der Schweiz ansässigen Personen erlauben würde, die Sendung via Website von SRF zu konsumieren.
Nein, lieber Master, Kassensturz bewegt kaum mehr etwas, abgesehen von einigen persönlichen Einzelschicksalen, in denen seitens der Sendung à la «Beobachter» zwischen Kunde und Lieferant vermittelt wird. Oder um es auf eine gängige Marketingformel zu bringen: Würde Kassensturz tatsächlich so viel bewegen, wie die gläubigen Konsumenten der Sendung – zu denen Sie scheinbar gehören – noch immer annehmen, gäbe es einen Mike Shiva als fettes Orakel der Schweiz mit seinen pinkfarbenen Bezahlsendungen längst nicht mehr. Immerhin wurde der Guru der Hellseherzunft schon mehrere Male durch den Fleischwolf vom Kassensturz gedreht. Geschadet hat es ihm bis zum heutigen Tage rein gar nicht. Shiva benutzte seine Auftritte beim Zwangsgebührensender sogar als willkommene Werbebühne für seine skurrilen Unternehmungen.
Seit gefühlten 20 Jahren erlebe ich die unsäglichen Olivenöl-Verrisse beim Kassensturz – in der Regel als Skandal angekündigt, sowas hebt die Quote. Und? Hat es uns Konsumentinnen und Konsumenten der Wahrheit um Extra Vergine oder Lampenöl auch nur einen einzigen Schritt nähergebracht? Haben sich die Discounter deswegen etwas löblicher verhalten und problematische Olivenöle aus den Regalen geräumt? Nein, das Gegenteil ist der Fall, wie Sie ja richtig in Ihrem Beitrag argumentieren. Der Kassensturz hat scheinbar von der SVP gelernt, dass die «Bewirtschaftung» eines Problems langfristig für die Quote erfolgreicher ist als die «Lösung». So hält man wenigsten die noch verbleibenden Zuschauer bei der Stange. 600‘000 Zuschauerinnen und Zuschauer sollen die Sendung im Schnitt verfolgen. Damit rühmen sich jedenfalls die Verantwortlichen von Kassensturz und nehmen damit gleich den Status der «untouchables» für sich in Anspruch. 600‘000 Zuschauerinnen und Zuschauer? Toll! Nimmt man aber die Einwohnerzahl der Erwachsenen in der Schweiz vom Schweizerischen Bundesamt für Statistik (BfS) mit 6,627 Millionen zur Hand, kommt eine ernüchternde Zahl zum Vorschein, die eigentlich dem Zwangsgebührensender zu denken geben sollte: Mehr als sechs Millionen schauen die Sendung NICHT!
Cassius Clay (Samstag, 11 Juni 2016 07:10)
Kann mir mal jemand sagen, welchen Produkten und insbesondere welchen der Mehrheit zugänglichen Olivenölen man noch trauen kann?
Master of Olive Oil (Samstag, 11 Juni 2016 09:10)
Lieber Cassius Clay, so genau kann Ihre Frage wohl niemand beantworten. Wirklich niemand.
Grundsätzlich müsste man davon ausgehen, dass alle im Handel verfügbaren Produkte den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Das Lebensmittelgesetz nimmt die Inverkehrbringer in die Pflicht, über die sogenannte Selbstkontrolle dafür zu sorgen, dass nur einwandfreie Güter in den Konsumkreislauf gelangen.
Bei Olivenölen ist es üblich, dass sich Grossverteiler deshalb durch die Einforderung diverser Zertifikate - unter anderem auch Panelberichte, welche die sensorische Einwandfreiheit der entsprechenden Produkte bestätigen - absichern. Nur wurden diese Zertifikate von grossen Olivenölabfüllern womöglich erkauft oder sie wurden möglicherwise von einem befangenen Konrollgremium ausgestellt. Was soll ich als Qualitätsverantwortlicher eines Grossverteilers tun, wenn mir alle Papiere bescheinigen, dass die bestellte Ware absolut in Ordnung ist? Soll ich deren Qualität trotzdem hinterfragen? Wir haben es mit einem total verkrebsten System zu tun, in welches Ordnung zu bringen, äusserst schwierig ist. Da ein staatlich akkreditiertes Olivenöl Panel nun aber einigen als Extra Vergine etikettierten Olivenölen den Status der höchsten Güteklasse per Panelbescheid aberkannt hat, müssten die Behörden daraufhin tatsächlich tätig werden. Tun sie das, so fordern sie die entsprechenden Inverkehrbringer der mutmasslich fehlbaren Olivenöle auf, zu beweisen, dass die angezweifelten Produkte entgegen des begründeten Verdachts den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Und Sie wissen, was jetzt kommt, Herr Clay? Genau, über den Grossabfüller werden in diesem Fall vom Inverkehrbringer neue italienische Panelberichte eingefordert, welche die Korrektheit der gelieferten Ware abermals bestätigen. Oder aber man wählt als Grossverteiler den ebenso einfachen Weg und sagt, man habe die entsprechende Charge aus den Regalen genommen. Die nächste Charge - des notabene genau gleichen Öls - ist zu diesem Zeitpunkt bereits wieder im Regal und schliesst so die kurzfristige Lücke. Nun müsste das staatlich akkreditierte Panel auch das Öl dieser neuen Charge prüfen und rügen. Und Sie ahnen es, das Spiel würde dann von vorne losgehen.
Es ist ein bisschen wie beim Monopoly: Über Start gekommen erhält man abermals viertausend Franken und damit die Chance, wieder eine Runde zu überstehen. Nur gibt es beim Schweizer Olivenölmonopoly im Gegensatz zum Original das Feld "ab ins Gefängnis" nicht. Denn wer vorsätzlich so günstig "extra vergine" einkaufen will, die Preise drückt und von den Abfüllern pro bestellte Einheit derart horrende Marketingbeiträge verlangt, dass sich der Abfüller seinerseits auf alle Arten strecken muss, weiss wohl ganz genau, dass er diesen ausgehandelten tiefen Preis mit hohen Qualitätseinbussen bezahlt, sprich ungenügende Qualität - beschönigt mit gutem Etikett - geliefert erhält.
Ihr Master.
M. Ceccarelli (Dienstag, 14 Juni 2016 07:12)
Es muss jetzt endlich mal etwas passieren. Niemand bewegt sich. Niemand hat den Mut den Betrügern den Kampf anzusagen. Das gleicht einer Bananenrepublik. Vor dem Recht sind eben doch nicht alle gleich....